Erst 2009 endete der Bürgerkrieg in Sri Lanka, nachdem fast 26 Jahre lang tamilische Separatisten und der Inselstaat Sri Lanka Gefechte um die Unabhängigkeit der Siedlungsgebiete der Tamilen ausgetragen hatten. Das dravidische Volk, das weltweit fast 80 Millionen Angehörige zählt, war während der britischen Kolonialzeit – vorwiegend als Plantagenarbeiter – aus Südindien auf die singhalesisch dominierte Insel übergesiedelt. Die Instabilität und die militärische Gewalt beider Konfliktparteien zwang viele Tamilen zur Flucht ins Ausland und lies dort tamilische Gemeinschaften nennenswerter Größe entstehen. Unser Referent Bbr. Prasanna Paramalingam wurde in Deutschland als Sohn zweier aus Sri Lanka geflohenen Tamilen geboren.
Die Bevölkerung Sri Lankas zählt heute etwa 20 Millionen Einwohner, 70% davon sind Buddhisten, 13% Hindus, 10% Muslime und etwas mehr als 7% sind Christen. Mit 15% der Bevölkerung sind Tamilen nach 75% Singhalesen die größte ethnische Minderheit in dem Land. Tamilen stellen hierbei die größten Teile der hinduistischen und christlichen Bewohner.
Das Volk der Tamilen zeichnet sich nicht nur durch seine bis ins 3. Jahrtausend vor Christus reichende Geschichte, sondern auch durch eine eigene Sprache und Kultur aus.
Auswanderungen nach Deutschland gab es bereits 1979. Doch 1985, zwei Jahre nach Beginn des Bürgerkrieges, hat die Migration der Tamilen stark zugenommen. Bbr. Prasanna Paramalingam berichtet aus den Erfahrungen seiner Eltern, dass für die Einreise und die nötigen Papiere etwa umgerechnet 5.000 bis 10.000 Euro notwendig waren. Viele Flüchtlinge reisten daher zunächst alleine, mit fortschreitender Dauer des Bürgerkrieges flohen aber auch ganze Familien und Gruppen von Tamilen nach Deutschland und in andere Länder Europas und Nordamerikas.
Kultur der Tamilen
Bbr. Prasanna Paramalingam konnte anhand seines eigenen Familienstammbaumes deutlich machen, welch großer Stellenwert der Familie in der tamilischen Kultur beigemessen wird. Nicht nur gibt es für jede Verwandtschaftsbeziehung gleich welchen Grades einen eigenständigen Namen. Auch lässt sich aus dem Stammbaum eindeutig das Familienoberhaupt ablesen: Das älteste und zugleich erfolgreichste Mitglied ist hierfür maßgebend – unabhängig vom Geschlecht.
Zudem spielt bei den Tamilen Leistung und Erfolg eine große Rolle. Die Ehre einer Familie richtet sich nach den beruflichen, gesellschaftlichen und kulturellen Erfolgen seiner Mitglieder und auch die Eltern geizen nicht mit Bekundungen über die Erfolge der Kinder gegenüber den Verwandten und Bekannten. Ein Familienmitglied, das beispielsweise mit dem Gesetz in den Konflikt kommt, kann hingegen auch die Ehre seiner Verwandten ruinieren.
Dieses System sorgt für einen starken Zusammenhalt in der (Groß-)Familie, wo Probleme gemeinsam gelöst werden, Respekt und Anerkennung herrschen und Bildung, gute Erziehung und Karriere als Ideale gelten. Es führt aber auch zu Neid und Missgunst und einem hohen Leistungsdruck.
Erwähnenswert ist das Recht des Erstgeborenen. Der oder die Erstgeborene hat nicht nur Vorrang bei Erbschaften und der Übernahme von Grundstück und Gewerbe. Auch wird sein oder ihr Rat bei der Namensgebung der Geschwister eingeholt, nicht zuletzt bei der Höhe des Taschengeldes gibt es ein Mitspracherecht und von ihm oder ihr werden Feierlichkeiten, wie Geburtstage, geplant.
Es gibt immer Etwas zu feiern
Und überhaupt gibt es immer Etwas zu feiern. Regelmäßig werden alle Verwandten und bisweilen sogar größere Teile der tamilischen Gemeinschaft zu Festen eingeladen. Große Teile des Einkommens werden für solche Zwecke zur Seite gelegt, um Eheschließungen, Geburten, den Empfang von hinduistischen oder christlichen Sakramenten, den Beginn der Pubertät oder Schulabschlüsse von Familienmitgliedern zu würdigen.
Abschließend ging es im Vortrag von Bbr. Prasanna Paramalingam um die Integration der Tamilen in Deutschland. Er hob hervor, wie gut die allermeisten Mitglieder der tamilischen Gemeinschaft die deutsche Sprache erlernt haben, erwerbstätig und bildungsorientiert sind und spätestens in der zweiten Generation auf eine Anknüpfung von Aktivitäten oder ein soziales Umfeld in der neuen Heimat setzen.
Er stellte aber auch fest, dass die Strenge der Eltern und die Einschränkung der Entscheidungsfreiheiten, die aus der tamilischen Kultur rühren, zu Konflikten der Heranwachsenden Tamilen mit ihren Eltern führen. Zu Spannungen führten auch die Vorstellungen einer guten Beziehung, so Bbr. Prasanna Paramalingam. Es sei nämlich durchaus nicht unüblich, dass Eltern für ihre Kinder Ehen arrangierten, auch wenn die Zahl von tatsächlichen „Zwangsehen“ sehr gering sei. Zudem ließen sich nicht alle Elemente der westlichen Konsumgesellschaft mit der tamilischen Kultur verbinden, in der das Einkommen möglichst zu je einem Viertel gespendet, für Feste zurückgelegt, gespart und in das tägliche Leben investiert werden solle.