Ethik in der Stammzellforschung

Am 29. Oktober 2014 hielt Bbr. Benedikt Mues eine wissenschaftliche Sitzung zum Thema Stammzellenforschung. Passend zum Leitthema des Semesters „Verantwortung“ legte er neben dem Stand der Technik einen Schwerpunkt auf moralische und ethische Fragen, die im Zusammenhang mit dieser Technologie wiederkehrend auftreten. Ausgewählte Schlagzeilen aus der Presse machen schnell deutlich, dass die Genforschung kontrovers diskutiert wird. Auf der einen Seite heißt es: „Der Embryo – Mensch oder Material?“, „In der Ethik-Falle“, „Ist denn der Embryo kein Mensch?“. Auf der anderen Seite liest man: „Ersatzorgane aus geklonten Körperzellen“, „Diabetes mit Stammzellen heilen“, „Medizinische Hoffnung für Querschnittsgelähmte“. Diese Schlagzeilen dienen als erste Hinweise auf die Potenziale und Risiken, die die Bevölkerung in der Stammzellenforschung sieht.

Der Gesetzgeber hat mit dem Embryonenschutzgesetz eine Regelung gefunden, die eindeutig verbietet, einen menschlichen Embryo für einen wissenschaftlichen oder medizinischen Zweck zu verwenden, der nicht dem Leben des Embryos dient. In einer Umfrage aus dem Jahr 2007 hielten 66,5 % der Befragten diese Regelung für richtig. Bis zum Jahre 2014 hat sich das Meinungsbild verändert. So sind heute 49,5 % der Befragten für die Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen.

Auch bei der Frage, ob grundsätzlich die Forschung an menschlichen Stammzellen verboten werden sollte, ist ein Anstieg der Akzeptanz zu verzeichnen. Im Jahre 2010 stimmten noch 50 % für ein Verbot, während es 2014 nur noch ca. 22 % waren.

Aus den Ergebnissen der Umfragen lässt sich ableiten, dass insbesondere die Forschung an embryonalen Stammzellen als kritisch gesehen wird. Die Forschung an Stammzellen, die nicht dem Embryo entstammen, ist dagegen weitestgehend akzeptiert. Bbr. Benedikt Mues klärte zunächst über den Unterschied dieser adulten Stammzellen (z.B. Hautzellen) und der embryonalen Stammzellen auf. Dabei ging er auf die verschiedenen Charakteristika der jeweiligen Stammzellenart ein und stellte mögliche Einsatzgebiete vor. So sind adulte Stammzellen multipotent, während embryonale Stammzellen pluripotent sind. Die Pluripotenzialität ist die Eigenschaft der Stammzelle, sich in beliebige Körperzellen differenzieren zu können. Diese Eigenschaft eröffnet den Forschern eine Vielzahl zusätzlicher Möglichkeiten, die adulte Stammzellen nicht bieten.

Aus diesem Grund gibt es schon seit vielen Jahren die Bemühung sogenannte „Induzierte pluripotente Stammzellen“ (iPS-Zellen) zu gewinnen. Die Idee ist also, ausgehend von adulten Stammzellen infolge einer Reprogrammierung pluripotente Stammzelle zu erzeugen. Auf diesem Wege wäre man nicht mehr auf die Verwendung von embryonalen Stammzellen angewiesen, könnte aber weitestgehend deren Potenziale nutzen.

Dieses Verfahren wurde bereits 2006 von Shinya Yamanaka entwickelt und 2012 sogar mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Auch wenn die Entwicklung der iPS-Zellen ein Meilenstein in der Stammzellenforschung bedeutet, sind diese (noch) nicht in der Lage die embryonalen Stammzellen komplett in der Forschung zu ersetzen. So gelten diese weiterhin als eine Art Goldstandard, da die Eigenschaften und Qualität der iPS-Zellen noch nicht zu 100 Prozent bekannt sind. Der Einsatz von embryonalen Stammzellen wird also vorerst auch in Zukunft notwendig sein und auch iPS-Zellen stellen eine „Manipulation“ des menschlichen Genmaterials dar.

Folglich leitet Bbr. Benedikt Mues zum Thema Verantwortung über und konstatiert eingangs: „Moderne Technik setzt den Menschen vor Entscheidungen, denen er nicht gewachsen ist.“ Im Fall der embryonalen Stammzellenforschung stellt sich dieses Problem ebenfalls und es gibt allenfalls verschiedene Modelle in der Ethik, die nur in sich Antworten auf dieses Problem ableiten können. Im Personenmodell sollte der Embryo dem Menschen gleich behandelt werden, womit die embryonale Stammzellenforschung abzulehnen wäre. Dem gegenüber steht das Objektmodell, in dem der Embryo als Sache verstanden wird und keine eigenen Schutzrechte hat. Diesem Modell nach wäre die embryonale Stammzellenforschung für medizinische Zwecke also gerechtfertigt. Das Respektmodell stuft die Schutzwürdigkeit des Embryos in Verbindung zu seiner Entwicklungsstufe ein und sieht die embryonale Stammzellenforschung höchstens als eine ultima ratio gerechtfertigt.29