„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“, heißt es in Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes, geschützt durch die Ewigkeitsklausel. Seinen Anfang nahm der Sozialstaat aber nicht erst 1949 mit Inkrafttreten des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, sondern weitaus früher, wie Referent Bbr. Tillmann Peitzmeier betont.
So gab es bereits in der Antike und im Mittelalter Bestrebungen, die Kluft zwischen Arm und Reich zu überbrücken, freilich zuvörderst, um Unruhen und Aufständen vorzubeugen. Eine Weiterentwicklung erfuhr die staatliche Umverteilung bedingt durch die Massenarbeitslosigkeit im 19. Jahrhundert. Ab 1883 führte Reichskanzler Otto von Bismarck die Renten-, Kranken- und Unfallversicherungen ein – als Zugeständnisse an die Bevölkerung und zur Schwächung von Gewerkschaften und kirchlichen Arbeiterverbänden, die eigene Versicherungen entwickelt hatten.
Weitere Versicherungen kamen 1911 mit der Angestelltenversicherung und 1927 mit der Arbeitslosenversicherung hinzu. Eine Verstärkung der sozialen Leistungen erfuhr das Nachkriegsdeutschland durch von den Besatzungsmächten bereitgestelltes Geld. 1957 wurde die gesetzliche Rentenversicherung durch eine Umstellung auf ein umlagebasiertes Rentensystem reformiert. Im Jahr 1995 kam – hervorgerufen durch den Wandel der Bevölkerungsstruktur – die Pflegeversicherung hinzu.
Im Alltag beträfen uns Studierende heute die sozialstaatlich motivierten Regelungen des Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und des Mietrechts, stellte Bbr. Peitzmeier fest. In der Sozialen Marktwirtschaft, die auf den Ökonom Armin Müller-Armack zurückgeht und von Ludwig Erhard wirtschaftspolitisch umgesetzt wurde, sieht Bbr. Peitzmeier die wirtschaftliche Bedeutung des Sozialstaatgedankens.
Die Veränderung der Sozialstruktur, ausgelöst durch den Wandel der demographischen Struktur der Bundesrepublik Deutschland, und eine erhöhte Arbeitslosigkeit durch nachlassendes Wirtschaftswachstum seien die Ursachen für eine Krise des Sozialstaats zur Jahrtausendwende. Auf diese Krise sei durch höhere Investitionen in Bildung, die Förderung von Teilzeitarbeit und Maßnahmen zur Steigerung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie reagiert worden.
Den Anschluss an die lehrreichen Ausführungen von Bbr. Tillmann Peitzmeier bildete eine Diskussion zu den Risiken, die ein Staat birgt, der „bestrebt ist, die wirtschaftliche Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten und soziale Gegensätze innerhalb der Gesellschaft auszugleichen“ (Duden). Zudem wurden Vor- und Nachteile der umlagebasierten Rentenversicherung gegenüber dem Kapitaldeckungsverfahren erörtert.