Ad orationem principiorum. Die Aufforderung zur Beschäftigung mit den Prinzipien, die kritische Reflexion der eigenen Gewohnheiten und das Streben nach einem moralischen Leben waren wohl die zentralen Aussagen einer denkwürdigen Prinzipienrede.
Ganz im Sinne des Semesterthemas „Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir.“ – einem Zitat Kants entsprechend – führte der Senior im Wintersemester 2015/16, Bbr. Johannes Schäfer, in das Thema der Moralphilosophie ein und verschaffte der Hörerschaft einen Überblick über die verschiedenen Strömungen. Immanuel Kant formulierte den Appell „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Mit seinem kategorischen Imperativ ist er einer der prominenten Vertreter der deontologischen Ethik. Nach dieser Richtung der Moralphilosophie sind menschliche Handlungen unabhängig von ihren Konsequenzen zu bewerten.
Dem entgegen steht der Konsequentialismus, der Handlungen primär nach ihrem Ergebnis bewertet. Darüber hinaus gibt es einen dritten Typus: die Tugendethik. Die Tugenden sind sittlich wertvolle, erstrebenswerte Eigenschaften eines Menschen, die ihn befähigen Gutes zu tun. Die Handelnden stehen im Mittelpunkt. So antwortete Sokrates mit „Tugendhaftigkeit“ auf die Frage, was ein gutes Leben auszeichne. Ein Tugendhafter entscheidet in der Mehrheit der Fälle richtig. Und das unkompliziert, indem er seinen einmal gewonnenen Tugenden folgt.
Kern der Prinzipienrede war dann wohl die Praxis der Tugendhaftigkeit, eine Aufforderung sich mit Gewohnheit und Tugend auseinander zu setzen, sich schließlich einige Tugenden anzueignen. Ein idealistischer Aufruf an die Zuhörer, nicht stehen zu bleiben, sich selbst zu bilden, nach dem sittlich Guten zu streben und verwerfliche Untugenden zu bannen. Es gilt das richtige Maß zu achten, einen Ausgleich zwischen Mangel und Übermaß zu finden, wie Aristoteles schreibt. Und auf die Erkenntnis muss das Handeln folgen. So schreibt er weiter: „Die sittliche Tugend entspringt aus Gewöhnung […]. Denn was wir tun müssen, nachdem wir es gelernt haben, das lernen wir, indem wir es tun.“ Und dann, wohl eingeübt, bilden die Tugenden unsere innere Haltung und geben uns die Grundlage zu entscheiden und zu handeln, sind also die Prinzipien, die Grundsätze, unseres alltäglichen Lebens.
Exemplarisch wurden die Tugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Mäßigung – wie sie in der griechischen Tragödie „Sieben gegen Theben“ von Aischylos dargestellt werden – und Glaube, Liebe, Hoffnung genannt. Letztgenannte werden hunderte Jahre später vor allem durch den Hl. Thomas von Aquin bekannt. Nicht zufällig handelt es sich bei ihm um einen der Patrone der Unitas.
Diese Tugenden bilden von da an die sieben Kardinaltugenden und gehören seitdem zum Wertekanon der christlich-abendländischen Zivilisation. Als eines der drei Prinzipien nimmt Virtus, welche die Gründungsväter der Unitas als Tugendhaftigkeit verstanden, eine zentrale Rolle ein. Unsere Tugenden wählen wir uns dann aber selbst. Getan ist es damit nicht. So müssen wir uns stetig selbst reflektieren, hinterfragen und den eigenen Fortschritt überwachen. Die erwählten Tugenden müssen einer fortwährenden Prüfung standhalten. Dann sind wir schließlich auf dem Pfad, ein tugendhaftes und sittlich gutes Leben zu führen.
Diese inspirierenden Worte verliehen der Semesterantrittskneipe eine feierlich-denkwürdige Atmosphäre, eine gespannte Aufmerksamkeit und eine ohrenbetäubende Stille, in die des Präsiden Worte nachhallten. Mit heiterem Ernst folgte die interessierte Corona. Nach gut zweieinhalb Stunden war das bunte Publikum, bestehend aus Freunden der Assindia und Mitgliedern zahlreicher Unitates aus Bonn, Hamburg und Karlsruhe entsprechend begeistert. Grußworte ganz verschiedener Art griffen schließlich die Rezipierung von Bbr. Lukas Nadenau auf, würdigten die Prinzipienrede und vereinnahmten sie für ganz eigene, weiterführende Gedankengänge. Den Rahmen bildeten zahlreiche studentische Lieder; einige, wie sie in Aachen noch nicht gehört wurden. Und so beginnt wieder ein neues Semester, das 207. Couleursemester für die Unitas Assindia zu Aachen.