„Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Dann begann er zu reden und lehrte sie.“ – Mt 5,1-2
Am 17. November fand der langersehnte Theologische Gesprächsabend mit Bbr. Pfarrer Stefan Wingen statt, dem Geistlichen Beirat des Unitas-Verbandes. Schon seit der 138. Generalversammlung in Würzburg war der Besuch von Bbr. Stefan Wingen in Aachen geplant. Nach einem kurzen, aber herzlichen Empfang mit anregenden Getränken und ein paar kleinen Häppchen, setzte man sich in einen Sitzkreis und analog zu dem bekannten Procedere erzählte uns Bbr. Stefan Wingen, dass er am Morgen dieses Tages sich bereits den Fragen einer Grundschulklasse gestellt habe. Wir sollten uns die Grundschüler zum Vorbild nehmen und uns trauen, sämtliche Fragen zu stellen, ohne Angst zu haben, dass diese mangelndes Vorwissen offenbaren könnten. Es wurde eine Liste an Fragen gesammelt und anschließend abgestimmt, welche Fragen das größte Interesse teilten. Drei Fragen wurden schlussendlich ausgewählt.
1. Die Eucharistie
Bbr. Stefan Wingen erklärte den Anwesenden, dass der Ausdruck „Fleisch und Blut“ im Hebräisch der Antike so viel bedeute wie physisch anwesend zu sein. Daher ist Jesus, wenn die Wandlung vollzogen ist, real präsent. Des Weiteren ließe auch die Schilderung des letzten Abendmahls im Neuen Testament keine andere Deutung zu, da Jesu Worte im Bezug auf das Brot und den Wein so außergewöhnlich seien, dass sie für Gläubige dieser Zeit ein Gräuel gewesen sein müssen. Jesus sagte zudem, dass die Jünger es zu seinem Gedächtnis tun sollten und die letzten Worte Jesu an seine Jünger lauteten „Ich bin bei euch – alle Tage bis zum Ende der Welt“. Da Fleisch und Blut diese Präsenz aussagten, sei er folglich in Fleisch und Blut, also durch die Eucharistie, bei seinen Gläubigen bis zum Ende der Welt. Dabei wurde auch deutlich, dass es sich letzten Endes um eine Frage des Glaubens handele. Denn diese Wandlung sei schlichtweg nicht zu er-fassen, nicht zu be-greifen.
2. Die Stellung der Frau in der römisch-katholischen Kirche
Bbr. Stefan Wingen führte aus, dass es in den Gesetzen der Kirche eine Unterscheidung gebe zwischen göttlichem Gesetz, also Regeln, die unmittelbar aus dem Handeln und den Worten Jesu zu erhalten sind, und menschlichen Gesetzen. Der Zölibat beispielsweise sei allein Menschenwerk und könne jederzeit geändert werden. Bei der apostolischen Sukzession, vor allem der stetigen Folge von Bischofsweihen, verhalte es sich jedoch anders. Der erste Fall einer Weihe begab sich als Christus und Judas tot waren und somit die zwölf Apostel nicht mehr zu zwölft und ohne Jesus waren, der einen Neuen hätte ernennen können. So wählten sie per Los Matthias, der nun einer von ihnen war. Dadurch und durch das Pfingstereignis entstand die Weihe-Folge, die bis heute anhält.
Hätte Jesus nun gewollt, dass eine Frau diese Rolle ausfüllen sollte, dann hätte er eine Frau in den Kreis dieser Zwölf erhoben, so Bbr. Stefan Wingen. Jedoch geschah dies nicht. Frauen seien zwar in seinem Gefolge und auch in seinem engeren Kreis gewesen, jedoch nicht im engsten. Die Frage, ob Jesus aufgrund der patriarchalischen Strukturen so handelte, beantwortete Bbr. Stefan Wingen eindeutig mit Nein, da Jesus beinahe sämtliche gesellschaftliche Konventionen gebrochen und bewusst gegen Tabus gehandelt habe. Eine Frau in seinem engsten Kreis wäre dabei nur noch „ein Tropfen auf einem heißen Stein“ gewesen. Jedoch hieße das nicht, dass die Frau eine niedrigere Stellung als der Mann im katholischen Christentum habe. So sei in christlicher Tradition das bedeutendste Geschöpf, welches jemals lebte, Maria von Nazareth. Der wichtigste Mensch hingegen sei Jesus Christus, wahrer Mensch und wahrer Gott. Auch spielten Frauen in der Kirchengeschichte bedeutende Rollen wie z.B. Hildegard von Bingen und Theresa von Avila.
3. Das Verhältnis zum Islam
Bbr. Stefan Wingen zeigte die Gemeinsamkeiten, allerdings auch die Unterschiede, beider Religionen auf. Unter anderem verdeutlichte er, dass das Christentum keine Buchreligion in dem Sinne sei, dass die überlieferten Texte als nicht interpretierbares Wort Gottes gälten. „Es ist jedoch eine Religion des Wortes Gottes, welches Jesus Christus selbst ist“, so Bbr. Stefan Wingen. Die Bibel sei dabei nicht ausschließlich Ergebnis direkter göttlicher Eingebung, ganz im Gegensatz zum Koran, der nach muslimischer Überzeugung Wort Gottes sei.
Im Islam würde Jesus zwar als Prophet betrachtet, nicht jedoch als Sohn Gottes. Die Trinität stelle zudem keinen Widerspruch zum Anspruch einer monotheistischen Religion dar.
Nach den Ausführungen des geistlichen Beirats ergab sich eine lebhafte Diskussion um verschiedene Deutungen des Islam. Dabei wurde schnell klar, dass Inhalt und Botschaft der beiden Weltreligionen wohl nicht an einem Abend zu greifen sind.